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"Ende Gelände" Präventives Polizeigewahrsam war nicht Rechtes

Münster. Die von der Polizei im Umfeld des Kraftwerkes Datteln VI am 01.02.2020, in der Nacht vor den Protesten von Ende Gelände, in Gewahrsam genommenen TheologInnen vom Institut für Theologie und Politik (ITP), Benedikt Kern und Dr. Julia Lis sowie ein weiterer Begleiter, erhoben Klage gegen das Vorgehen der Polizei.
Sowohl gegen
-die präventive Gewahrsamnahme und die herabsetzende Behandlung als auch
- gegen das dreimonatige Betretungsverbot eines einige Quadratkilometer großen Areals um das Kraftwerk sowie
- gegen die Beschlagnahmung des Autos
wurde somit juristisch vorgegangen.
Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, der die drei Betroffenen vertritt, begründete die Klagen folgendermaßen: „Freiheitsentziehung ist eine der schärfsten Maßnahmen, die es überhaupt gibt. Von den KlägerInnen ging keinerlei Gefahr aus, die diese Maßnahme rechtfertigen könnte.“

Das VG Gelsenkirchen stellt nun in dieser Vorgehensweise einen Verstoß

gegen die Europäische Menschenrechtskonvention fest. Sobald das Urteil

rechtskräftig ist, werden die beteiligten Mitarbeiter*innen des ITP an

das Polizeipräsidium Recklinghausen eine Schadensersatzforderung stellen.

 

„Das heutige Urteil hat für uns auch eine politische Dimension. Das

NRW-Polizeigesetz, das im Februar 2020 erst wenige Wochen in Kraft war,

sollte von seiner Grundanlage auch gegen Klimaproteste eingesetzt

werden. Das heutige Urteil kritisiert also auch, dass die Verschärfungen

in der Polizeipraxis massiv in Grundrechte eingreifen.

Präventivgewahrsam ist und bleibt eine demütigende polizeiliche Praxis,

die menschenrechtlich schwer zu legitimieren ist. Deswegen ist es

richtig dagegen vorzugehen und die Einhaltung von Grundrechten im

Kontext von Protesten einzufordern“, so Theologin Dr. Julia Lis, eine

der Betroffenen und Klägerin im Verfahren.

 

„Wir sind erleichtert, dass das Gericht unserer Kriminalisierung durch

die Polizei Recklinghausen etwas entgegengesetzt hat. Auch unter der

neuen schwarz-grünen Landesregierung hat die Polizei bis zuletzt an der

Legalität ihrer Praxis festgehalten. Wir sehen also NRW-Innenminister

Reul letztlich in der Verantwortung für dieses unrechtmäßige Vorgehen

der Polizei“, erklärt der Theologe Benedikt Kern vom Institut für

Theologie und Politik. „Es bleibt zu hoffen, dass es künftig keine

derartige Repression gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung mehr geben

wird und stattdessen grundlegende gesellschaftliche Veränderungen

möglich werden.“

 

2020 hatte es bundesweit mediale Reaktionen auf die

Präventivgewahrsamnahme gegeben. Die NRW-Landesregierung hatte im März

2020 bereits erklärt, dass sie das Vorgehen des Polizeipräsidiums

Recklinghausen für überzogen hielt. Das VG Gelsenkirchen hatte bereits

in einem Eilverfahren im Frühjahr 2020 das von der Polizei verhängte

Betretungsverbot der Kraftwerksumgebung aufgehoben. Eine mögliche

Schadensersatzklage kann nun am Landgericht Bochum erhoben werden.
 

 

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